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11. April 2023

Silicon Valley Bank – kein Lehman 2.0

Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) im März hat düstere Erinnerungen geweckt. Warum der Fall anders gelagert ist als die Weltfinanzkrise und was das Ganze mit Crowdfunding zu tun hat, lesen Sie hier.

Am 10. März 2023 erschütterten die Kapitalmärkte. Vor allem Bankaktien gingen in den folgenden Tagen auf Talfahrt. Was war passiert? Eine bis dato hierzulande kaum bekannte US-Bank hatte ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt und war von der US-amerikanischen Finanzaufsicht geschlossen worden. Drohte jetzt ein Lehman 2.0? Ein Vertrauensverlust ins internationale Banksystem nah an der Kernschmelze wie 2008? Mitnichten.

Aber der Reihe nach. Was war passiert? Dazu ein kurzer Schwenk über das originäre Geschäftsmodell von Regional- oder branchenspezifischen Banken wie der SVB: Solche Institute sammeln von ihren Kunden Liquidität in Form von Bankeinlagen ein – auf Girokonten, Tages- oder Festgeldkonten und so weiter. Diese Liquidität reichen sie in Form von Bankdarlehen an (andere) Kunden aus, zum Beispiel an private Häuslebauer oder mittelständische Unternehmen in der Heimatregion.

So sah im Grundsatz auch das Geschäftsmodell der SVB aus, wobei sie sich auf eine bestimmte Branche konzentriert hatte, nämlich auf die boomende Digital- und Startup-Industrie, vor allem in den USA. Deren Gründer benötigen auf der einen Seite Darlehen, um ihr Wachstum zu finanzieren, und gleichzeitig auch Giro- und Anlagekonten, um ihre Liquidität zu verwalten, Gehälter auszuzahlen und Rechnungen zu begleichen. Mancher Gründer bringt es auch zu einem nennenswerten Vermögen, das er teilweise auch auf Konten bei der Bank seines Vertrauens parkt. Ihre Marge verdient die Bank, indem die Zinsen für die ausgereichten Kredite höher sind als für die Bankeinlagen. Bei der Differenz spricht man vom Zinsüberschuss.

Jetzt kann es natürlich vorkommen – und es ist auch ein stückweit normal –, dass eine Bank entweder mehr Einlagen als ausgereichte Darlehen auf der Bilanz hat. Man spricht dann von einem Einlagenüberhang. Auch der umgekehrte Fall ist möglich, dann handelt es sich um einen Kreditüberhang. Ein Problem ist das nicht unbedingt, im Gegenteil: Ein Einlagenüberhang sichert der Bank eine Liquiditätsreserve. Diese Liquidität kann sie selbst an den Kapitalmärkten mit kurzfristigen Laufzeiten anlegen und damit ihre Marge erhöhen, oder sie kann sie bei der Notenbank parken. Herrscht umgekehrt ein Kreditüberhang vor, benötigt sie zusätzliche Refinanzierungsquellen. Das kann zum Beispiel durch die Begebung von Anleihen erreicht werden, oder durch Pfandbriefe.

Die SVB hatte einen sehr großen Einlagenüberhang. Am Ende des letzten vollen Geschäftsjahres 2022 standen 173 Milliarden US-Dollar Kundeneinlagen lediglich 74 Milliarden US-Dollar Kundenkredite gegenüber. Mit der Differenz haben die Kalifornier keineswegs im Finanzcasino spekuliert: Die überschüssige Liquidität wurde überwiegend in mündelsichere Anleihen gesteckt, hauptsächlich US-Staatsanleihen. Diese waren und sind keineswegs ausfallgefährdet. Doch mit dem Zinsanstieg in den USA verloren diese Anleihen rapide an Wert. Auch das ist per se noch kein großes Problem, da es sich um temporäre Buchwertverluste handelt, denn am Ende der Laufzeit werden diese Anleihen zu 100 Prozent zurückgezahlt.

Doch jetzt setzte bei der SVB ein unter Bankern gefürchtetes Phänomen ein, das als „Bank Run“ und „Self-fulfilling Prophecy“ berüchtigt ist: Unter den Bankkunden machten Gerüchte um eine Schieflage der Bank die Runde – und sie begannen in Scharen, ihre Bankeinlagen von den Konten bei der SVB abzuziehen. Damit war die Bank gezwungen, ihre Anleihebestände zu verkaufen, um den Leuten an den Bankautomaten ihre Liquidität auszahlen zu können. Damit aber musste sie hohen Buchverluste an den Anleihemärkten tatsächlich realisieren. Um eine Panik zu vermeiden, griff am Ende die US-amerikanische Einlagensicherung ein und veranlasste die Schließung der Bank.

Wie aber kam es zu diesem sehr hohen Einlagenüberhang bei der SVB? Brauchten die Startups keine Kredite mehr? Fast. In den USA zeichnet sich seit vielen Jahren ein Trend dahingehend ab, dass immer mehr Unternehmen auf Bankdarlehen ganz verzichten oder nur einen kleinen Teil ihrer Fremdfinanzierung über ihre Hausbank beziehen. Alternative Kapitalquellen wie beispielsweise die Begebung von Anleihen, Darlehen von speziellen Private-Equity- beziehungsweise Kreditfonds (Private Debt) oder auch Mezzanine-Instrumente werden immer wichtiger. Das gilt sowohl im amerikanischen Mittelstand als auch für Startups. In diese Reihe der Bankalternativen lässt sich auch Crowdfunding einsortieren. Und das gilt ganz offensichtlich für die amerikanische Startup-Industrie. Deren Unternehmer haben die SVB größtenteils für ihre Einlagen und zum Zahlungsverkehr genutzt, während das Kreditangebot nicht in dem selben Ausmaß angenommen wurde.

Schwappt dieser Trend nun auch nach Deutschland und Europa über? Zumindest in Deutschland sind Banken und Sparkassen noch immer unangefochten der Hauptkreditgeber der Wirtschaft. Aber die Angebotsvielfalt und auch die Marktanteile der alternativen Finanzierer sind auch hierzulande in den letzten Jahren gestiegen – nicht zuletzt dank der Crowd. Durch eine immer strengere Bankenregulierung wird dies zusätzlich befördert. Grund zur Sorge ist das freilich nicht, im Gegenteil: Die Alternativen sorgen zum Beispiel dafür, dass die Wirtschaft auch dann mit Kapital versorgt wird, wenn die Kreditvergabe durch die Banken mal ins Stottern gerät. Um die Einlagen der SVB-Kunden kümmert sich jetzt größtenteils die Einlagensicherung.

Die SVB ist aber keineswegs der vorläufige Höhepunkt einer weltweiten Banken- und Finanzkrise wie der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Allerdings sind neben der SVB noch einige andere Regionalbanken in Schieflage geraten – und der Anlass war überall der gleiche: Der abrupte Zinsanstieg der US-Notenbank FED geht nicht ohne Kollateralschäden einher. Grund zur Panik ist das nicht. Aber wer auf Nummer sicher gehen möchte, diversifiziert sein Kapital. Vor allem Bankeinlagen über 100.000 Euro hinaus gehören auf mehrere Töpfe verteilt – denn nur bis zu dieser Summe greift in der EU die gesetzliche Einlagensicherung.