Magdeburg hat eine lange und glorreiche Vergangenheit, aber auch viel Krieg, Zerstörung und Niedergang über sich ergehen lassen müssen: im Dreißigjährigen Krieg, im Zweiten Weltkrieg und schließlich durch den Zerfall damaligen Ostblocks. Nach der Wiedervereinigung zerfiel die Maschinenbaubranche der Region, von den ehemals 46.000 Angestellten blieben nur noch 2.000. Die 340.000 Menschen, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Magdeburg lebten, reduzierten sich auf heute etwa 240.000 Einwohner. Allein seit der Wiedervereinigung beläuft sich der Wegzug auf zeitweise bis zu 60.000 Bewohner. Doch der Bevölkerungsrückgang ist gestoppt, seit 2011 wächst die Stadt wieder. Dennoch mag die strategische Entscheidung Intels, eine riesige Fabrik zur Halbleiterproduktion im Südwesten Magdeburgs zu errichten und nicht in München oder Berlin auf den ersten Blick überraschen. Was hat die Kalifornier letztlich von Sachsen-Anhalt überzeugt?
Die wechselweise als „Mega-Fab“ oder „Giga-Fabrik“ bezeichnete Anlage soll 2023 ihren Baubeginn erleben. Das Investitionsvolumen für die beiden Produktionseinheiten: Unglaubliche 20 Milliarden Euro. 3.000 Arbeitsstellen entstehen unmittelbar im Werk, potenziell mehr als 10.000 Stellen durch Zulieferer. Intel-Chef Pat Gelsinger geht von etwa 10.000 Stellen aus, die durch die Fabrik entstehen würden. Auch die Fläche erstaunt mit 380 Hektar, die fast an die 510 Hektar des größten Sees in Sachsen-Anhalt, den Arendsee, heranreichen. Damit überbietet die Anlage das neue Tesla-Werk in Brandenburg deutlich, das in den Jahren 2019 und 2020 für erhebliches mediales Interesse sorgte. Doch hier ist noch lange nicht das Ende: Voll ausgebaut können insgesamt acht Produktionseinheiten mit einem Investitionsvolumen von 80 Milliarden Euro auf der Fläche untergebracht werden.
Hinterfragt man Intels Standortwahl, kann man schnell nachvollziehen, was Intel an Magdeburg im Auswahlprozess gereizt hat. Logistisch ist Magdeburg top angebunden, der zukünftige Standort im Gewerbegebiet Eulenberg noch einmal besonders gut. Die A2 verbindet Magdeburg mit den Automobilmetropolen Hannover, Braunschweig und Wolfsburg im Westen und mit der Bundeshauptstadt Berlin. Eulenberg selbst liegt direkt an der A14, die nach Halle und Leipzig führt. Auch die Elbe und ihre Kanäle werten nicht nur das Stadtbild auf, sondern sind von großem logistischem Nutzen: Viele Teile für Bau und Betrieb der Fabrik lassen sich über den Fluss bewegen.
Die Universität der Stadt, die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, dürfte ebenfalls zur Entscheidung beigetragen haben. Von den knapp 50 Bachelorstudiengängen, die angeboten werden, sind die meisten technisch ausgerichtet, wichtige Studiengänge aus IT und Wirtschaft können dort auch studiert werden. Die Lokalpolitik habe hinzukommend ihren positiven Beitrag geleistet: Durch große Verhandlungsfreude und den Willen, Magdeburg als nachhaltig relevanten Standort auszubauen, verging von der Anfrage Intels im Frühjahr 2021 wenig Zeit bis zur Zusage Anfang 2022.
Das urbane Lebensgefühl in der Stadt wird jeden Erstbesucher positiv überraschen. Schokoladenseiten der Stadt sind Elbufer und Domplatz sowie natürlich das berühmte Hundertwasserhaus, aber auch die Gründerzeitviertel wie rund um den Hasselbachplatz laden zum Bummeln und Verweilen ein. Gastronomie, Sport und Kultur müssen den Vergleich mit vielen anderen Landeshauptstädten nicht scheuen – der SC Magdeburg ist amtierender deutscher Handballmeister. Die Stadt fördert zudem ihr kulturelles Erbe: 2019, zum 100. Geburtstag der Bauhaus-Stilrichtung, begann man mit der Sanierung geschichtsträchtiger Gebäude, die im Verlaufe der DDR-Geschichte verfallen sind oder nur dürftig saniert wurden. Sie werden nun in neuem Glanz erstrahlen.
In der Stadt stecht an fast jeder Ecke noch ungenutztes Potenzial. Seit 2021 ist der Wohnungsmarkt in Bewegung. Die Mieten sind für den bundesweiten Vergleich mit 6,54 pro Quadratmeter noch erschwinglich, dürften in den nächsten Jahren aber anziehen, nicht zuletzt dank Intel. Zwar ziehen nicht alle 10.000 potenziellen Arbeitnehmer gleichzeitig in die Stadt, doch ist damit zu rechnen, dass wellenartig neue Bewohner in die Stadt ziehen. Zunächst für den Bau, im Anschluss für die Fabrik selbst. Gerade die südlicheren Stadtteile werden am meisten davon profitieren, doch auch für den Rest der Stadt ist von nachhaltigem Wachstum auszugehen, was sich an der Wirkung auf Projektentwickler bereits jetzt zeigt. Zahlreiche, teils sogar bereits eingestellte Projekte werden nun wieder aufgenommen. Die Stadt bereitet sich vor auf den Zuzug und auf eine Zukunft vor, die internationaler, innovativer und zuversichtlicher ist als vielleicht jemals zuvor.